1923
Über Gesundheit und Krankheit
Grundlagen einer geisteswissenschaftlichen Sinneslehre
GA 348 (4. Auflage, 1997), 16. Vortrag, Dornach, 27. Januar 1923, Seite 299 f.
„[…] So daß also auch der Weltenrhythmus zusammenstimmt mit dem schnellen Rhythmus von Atmung und Blutzirkulation. Denken Sie, wie der Mensch da im Weltenall drinnensteht! Der Mensch ist ganz herausgeboren aus dem Weltenall. Im Weltenall ist ursprünglich Vater und Mutter.
Da kommt man natürlich darauf, den Menschen auf eine ganz andere Art im Zusammenhang mit dem Weltenall zu sehen, als wenn einem einer einfach sagt: Gott hat die Welt geschaffen, hat den Menschen geschaffen – alles Begriffe, bei denen man sich nichts denken kann. Aber Anthroposophie will damit anfangen, bei allem sich etwas zu denken. Das verübelt man ihr. Warum? Ja, um Worte zu sagen, bei denen man nichts zu denken braucht, braucht man sich nicht anzustrengen. Aber bei der Anthroposophie muß man sich anstrengen. Das macht die Leute fuchsteufelswild. Bei der heutigen Wissenschaft braucht man sich nicht anzustrengen. Nun, auf einmal kommt dieser Balg Anthroposophie, und man kann sich nicht ins Kino setzen und einfach gedankenlos den Film ablaufen lassen! Sie möchten selbst in die Schulen, damit die Kinder sich nicht anzustrengen brauchen, den Film hineinbringen. Ich wundere mich, daß sie noch nicht das Rechnen mit dem Film hineingebracht haben! Und nun kommt die Anthroposophie und verlangt: Ihr sollt überhaupt nicht so untätig dasitzen, sondern mit euren verflixten Schädeln mitmachen! – Und das will man nicht.“
1922
Menschliches Seelenleben und Geistesstreben
Im Zusammenhange mit Welt- und Erdenentwicklung
GA 212 (2. Auflage, 1998), 5. Vortrag, Dornach, 7. Mai 1922, S. 88 f.
„[…] Es gibt viele Leute, die wollen nicht gerne solche Begriffe, die halten sich mehr an dasjenige, was in ihrem Inneren subjektiv und persönlich lebt. Aber die Zivilisation der Zeit bringt ja überall solche Begriffe über die äußere Natur, wie wir sie einmal heute und seit Jahrhunderten schon auffassen, an die Menschen heran. Mit diesen Begriffen über die Natur füllt dann der heutige Mensch sein Inneres aus.
Er lernt heute schon durch die kleinsten lokalen Zeitungsblättchen, wenigstens durch die Sonntagsbeilagen, die Welt so betrachten, wie es eben in diesem Sinne geschehen kann. Er weiß nicht, daß er eigentlich schon mit dem kleinsten Zeitungsblättchen die naturwissenschaftliche Weltanschauung aufnimmt, aber er tut es eben. So daß man sagen kann: Das einzige, womit sich der Mensch heute wirklich befaßt, das sind die Begriffe der äußeren Natur. Ich sage das nicht als Kritik deseinzelnen, sondern als Kritik der Zeit oder eigentlich nur als Charakteristik der Zeit, denn zu kritisieren ist dabei nichts; die Sache ist eben einfach ein notwendiges Zeitprodukt. Der Mensch ist so wenig interessiert an dem Menschen selbst, daß es ihm eigentlich schon gleichgültig geworden ist, ob er den lebendigen Schauspieler auf der Bühne sieht oder ob er das Gespenst des Kino sieht, was natürlich in der Realität doch einen beträchtlichen Unterschied gibt. Aber es ist nicht eine tiefe Empfindung, eine gründliche Empfindung für diesen Unterschied in der heutigen Zeit vorhanden, sonst würde man auch mehr Gefühl, mehr Empfindung haben für den großen Anteil, den an dem Niedergang unserer Zivilisation gerade solche Erscheinungen wie die Kinokultur haben.
Die Ideen, die dem heutigen Menschen für seine Seele vermittelt werden, nimmt er einfach dadurch auf, daß er aus blindestem Autoritätsgefühl heraus sofort überzeugt ist, wenn man ihm sagt: Die Wissenschaft hat wiederum das und das gebracht, wiederum das und das konstatiert. – Man muß sich nur klar sein darüber, was das eigentlich heißt, daß man diese Dinge so hinnimmt, wie sie heute geschildert werden. Man weiß durchaus nicht, indem man die Schilderung entgegennimmt, was da eigentlich in den Laboratorien und so weiter vorgeht. Kurz, es ist der blindeste Autoritätsglaube an dasjenige vorhanden, was in dieser Weise an Ideen über die äußere Welt den Menschen mitgeteilt wird. […]“
Die Ideen, die dem heutigen Menschen für seine Seele vermittelt werden, nimmt er einfach dadurch auf, daß er aus blindestem Autoritätsgefühl heraus sofort überzeugt ist, wenn man ihm sagt: Die Wissenschaft hat wiederum das und das gebracht, wiederum das und das konstatiert. – Man muß sich nur klar sein darüber, was das eigentlich heißt, daß man diese Dinge so hinnimmt, wie sie heute geschildert werden. Man weiß durchaus nicht, indem man die Schilderung entgegennimmt, was da eigentlich in den Laboratorien und so weiter vorgeht. Kurz, es ist der blindeste Autoritätsglaube an dasjenige vorhanden, was in dieser Weise an Ideen über die äußere Welt den Menschen mitgeteilt wird. […]“